Die Ausstellung der diesjährigen Transmediale heißt „Dark Drives“. Man erwartet also nicht unbedingt einen White Cube. Aber wer hätte gedacht, dass die Ausstellungsmacher um Jacob Lillemose ihre Besucherinnen so tief ins Dunkle führen würden? Durch eine Black Box aus Sound (die Installation Probe 2012 von TR Kirstein) geht es in die Folterkammer der Festplatten und Fehlermeldungen. Vom Boden über die Wände bis zur Decke ist der Ausstellungsraum in Schwarz gehalten. Die Werke sind gleichzeitig Lichtquellen, an denen man sich entlang hangelt. Wie die Motten das Licht suchen, bleibt der Blick an ihnen hängen.
Was er sieht, ist ein Monstrum in Elektroschrott, eine dystopische Werbewand oder diesen Haifisch, der eine Robbe verschlingt und sich dann in Pixelsalat auflöst. Aus einer Ecke sind derweil durchdringende Schreie zu hören. Die Ausstellung soll die unruhigen Energien einer hochtechnologisierten Zeit zeigen, die düstere Rückseite der Konvergenz. So zumindest steht es im Statement des Kurators im haptisch hübschen, aber unpraktischen Ausstellungskatalog. Dabei fühlt man sich eher wie in einer musealen Geisterbahn als konfrontiert mit einer kritischen Perspektive auf das Medienzeitalter.
Das düstere Umfeld lässt nicht viel Raum für Interpretation und stattdessen manches Werk (vielleicht unverdient) eindimensional wirken. Im Internet kann jeder einfach so Waffen kaufen (Armed Citizen von Daniel García Andújar / Technologies to the people). Computerspiele machen die Jugend krank und Erwachsene hysterisch (My Generation von Eva and Franco Mattes aka 0100101110101101.ORG, von hier kommen die Schreie). Unseren schicken elektro-digitalen Devices ist es egal, ob darauf piratiertes geistiges Eigentum gespeichert wird (5 Million Dollars 1 Terabyte von Art 404) und wenn sie selbst ihren Geist aufgeben, verrotten sie (nicht) auf endlosen Müllhalden (Photos of e-waste found on Flickr von Jack Caravanos und Vibek Raj Maurya).
Dass jede mediale Entwicklung auch Nachteile mit sich bringt und Kritiker auf den Plan ruft, ist keine Neuigkeit. Das wusste schon Platon. Daraus ergibt sich nicht nur ein Potential für Pessimismus, sondern für kreative Abwandlungen, subversiven Aktivismus und reflektierten Konsum. Irgendwie nimmt man Lillemose ab, dass er so etwas ähnliches in seiner Ausstellung vermitteln wollte. Leider ist jedoch der Effekt rund um das Label „Dark Drives“ ein bisschen zu sehr in den Vordergrund geraten.
Komplexe Kontrapunkte zur dunklen Oberfläche finden sich in der Ausstellung auch. Jaromils zum Wandbild verwandelte Code-Zeile Forkbomb Shell zum Beispiel kreuzt die Eloquenz des Codes mit dem ultimativen Stillstand auf der einen und dem Kunstkontext auf der anderen Seite. Schnelle Schlüsse ausgeschlossen. Bei Constant Dullaarts Re: Deep Water Horizon (HEALED) versteckt sich die Ahnung von der gescheiterten technologischen Utopie in digital „geheilten“ Bildern einer Umweltkatastrophe. Und mit dem Videoclip Come to Daddy von Chris Cunningham und Aphex Twin macht schließlich auch das Techno-Gruseln ein kleines bisschen Spaß (hier bei YouTube).