Was ist dein größtes Geheimnis?„Das Interview“am Societaetstheater Dresden


Stephanie Stumph und André Kudella (Foto und Bildrechte: Detlef Ulbrich)

Katja hat die schönsten Silikontitten der Welt. Und sie ist die erfolgreichste Schauspielerin der Niederlande. Was könnte für den Politik-Journalisten und Krisenreporter Pierre langweiliger sein, als diese belanglose Medien-Katja exakt an dem Tag interviewen zu müssen, an dem die niederländische Regierung zurücktritt? Er kennt sie und ihre Filme nicht und wird nur zu ihr geschickt, weil der Kollege aus dem Kultur-Ressort erkrankt ist.

Eine vortreffliche Ausgangssituation für ein völlig belangloses Interview – und für ein Bühnenstück: „Das Interview“ von Theodor Holman und dem ermordeten niederländischen Schriftsteller Theo van Gogh war jetzt im Societaetstheater in Dresden zu sehen.

Glücklicherweise stellen die beide einzigen Charaktere des Stücks schnell klar, dass sie weder Interesse am Gegenüber noch Lust auf ein dahin plätscherndes Frage-Antwort-Spiel haben. Genau aus diesem Grund nimmt das Spiel der Sticheleien, der Lügen, der Gemein- und Wahrheiten seinen Lauf.

Als Pierre endlich die kritischen Fragen stellt, mit der man auch Politiker aus der Reserve lockt, trifft er Katjas sensible Seelenpunkte. Ihr gefällt das Spiel der Scheinwahrheiten. Kein Verhaspeln, sondern Austeilen, gemein sein. Sie berichtet von glücklosen Beziehungen, Drogen, Karrierevorstellungen. Das Problem für Pierre und die Zuschauer: Was von ihrem täuschenden Darsteller-Gefasel ist real, was Fiktion?

Um dies zu klären, bringt er seine verkorkste Vergangenheit mit ins Spiel, berichtet von seiner verstorbenen Tochter, von den Grausamkeiten des Krieges. Seine Wunden sind echt. Pierre treibt das Spiel der beiden voran, will die große Story, quält sich und lässt sich hierfür quälen. Er will ihr größtes Geheimnis, die Wahrheit. Ein gefährliches Spiel im Mediengeschäft.

Die in Dresden geborene Stephanie Stumph (Katja) mimt die egozentrische Schauspielerin. Zugegeben, ja, man denkt  an Stubbes Tochter aus der Krimi-Reihe im ZDF, aber schnell macht sie ihre bekannte Rolle vergessen, überzeugt als aufgesetzte Schönheit, die im Kokon der Quotenerfolge den Kontakt zur Realität verloren hat. Sie lacht über sich und ihre scheinbare Dummheit, spielt mit der fehlerlosen Attraktivität der Rolle und genießt die Blicke ihres Gegenübers.

André Kudella (Pierre) zeigt einen mittelmäßig erfolgreichen, im Krieg geläuterten Journalisten, der seinen Job als Berufung versteht. Die teils haarsträubenden Geschichten klingen abgestumpft, aber die Qualen haben ihn gebrandmarkt. Sie haben ihn abstumpfen lassen. Und man spürt während des verletzenden Gesprächs: Dieser Mann hat mehr erlebt, als man erfahren möchte. Warum er sich ausgerechnet dieser Frau offenbart? Ob es ihre Schönheit ist, oder ihre treffenden Worte sind, oder sein Gieren nach dem großen Scoop? Nur eins ist sicher: Er glaubt scheinbar, das Gespräch im Griff zu haben.

Regisseur Jan Böde hat zusammen mit Julia Neubert (Assistenz) ein Duo auf die Bühne des Societaetstheaters in Dresden geschickt, das die nötige Intensität des Kammerspiels minutiös aufrecht erhält und neben dem arglistigen Wortspiel zweier Medienprofis auch humorvolle Momente liefert. In dem medienkritischen Stück überwiegt die Spannung, doch die Unterhaltung kommt nicht zu kurz. Wer schwarzen Humor verehrt, hört auf der karg ausgestatteten Bühne aus Styropor Wortduelle im Überfluss und sieht zwei Schauspieler, die sich gegenseitig derart verletzen, dass man meinen könnte, sie seien ein Ehepaar kurz vor der Scheidung.

„Das Interview“ ist im Societaetstheater noch an folgenden Terminen zu sehen: 4. und 5. März, 1., 2., 7. und 8. April 2011.

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