Pragmatismus im ScheinwerferlichtIN TRANSIT performing arts festival 2011

Leere Stuhlreihen

Keine Bühne ohne Tribüne. Keine Show ohne Applaus. Keine Performance ohne Publikum. Das IN TRANSIT Festival 2011 fragte sich was die darstellenden Künste ohne Zuschauer wären. „Spectator“ war es betitelt und die eingeladenen Künstler beschäftigten sich mit der Macht und Lust des Sehens und Gesehenwerdens.

Bei Dragana Bulut, Eduard Gabia und Maria Baroncea (Berlin/Belgrad/Bukarest) geht es derweil auch um den ökonomischen Aspekt von Kunstproduktion und -konsum. In der Deutschlandpremiere von „E.I.O.“ betätigen sie sich nicht als Performer auf der Bühne und auch nur bedingt als Zuschauer. Sie sind Unternehmer, Arbeitsvermittler, Mittelsmänner. Das sogenannte Publikum wird, gleich nachdem jeder seine „Investition“ in den Abend getätigt hat,  in zwei Gruppen eingeteilt: Arbeiter und Zuschauer. „Wer arbeitet, wird am Ende bezahlt“, das ist ein schlagendes Argument.

Es beginnt mit einem Auftritt auf eine Bühne mit allerlei Material. Die Vorgabe, der man sich zuvor vertraglich verpflichtet hat, lautet: Praktisch sein. Lösungen finden. Für was? Das wird sich dann schon zeigen, wenn erst Mal eine Rolle Plastikfolie entrollt, einige Umzugskartons gefaltet, Blumen in Styropor gepfropft und eine Armada von Papierfliegern gebastelt ist. Ist das praktisch? Nö. Aber das kümmert auch niemanden mehr, nachdem die Bühnen-Arbeiter in Aktionismus verfallen sind. Die „Macher“ des Abends schauen gemeinsam mit dem Publikum von der Tribüne aus zu, es gibt keine Vorgaben, keine Sanktionen, nur jede Menge Zeit – und die Blicke des Publikums im Nacken.

Unterschriebener VertragNach etwa einer Stunde ertönt ein Signal und die Show ist vorbei. Jeder Zuschauer kann nun entscheiden, in welchen der Arbeiter auf der Bühne er seinen zuvor selbst festgelegten Eintritt investiert. Danach bildet sich eine Schlange vor der Lohnkasse, jeder Arbeiter bekommt zumindest seine „Investition“ zurück, plus das, was seine Arbeit den Zuschauern wert war, die ihnen ihre „Lohnzettel“ überlassen haben. Dabei kommen einige ganz gut weg. Andere gehen leer aus. Ein bisschen frustrierend ist das schon, denn immerhin hat man ja im Rahmen der Möglichkeiten sein Bestes gegeben.

Ein bisschen frustrierend ist auch das Fazit des Abends. So spannend der Versuchsaufbau auch ist, die meisten Fragen bleiben nicht nur unbeantwortet, sondern gleich ungefragt. Die gebeutelte Autorin, die während des Abends malocht hat (Bilanz = Null), kann sie hier nur hinterher schieben: Wieviel Geld ist meine Aufmerksamkeit wert? Wer bemisst den Wert kultureller Produktion? Was bedeutet praktisches Handeln im Scheinwerferlicht einer Bühne? Wo hört der Markt auf und fängt die Kunst an? Was hätte ich besser machen sollen? – Vielleicht das nächste Mal wieder von der Tribüne aus teilnehmen, dann bleibt am Ende wenigstens die Gönnergeste.

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